Geboren in Jerusalem, 1931
Lebt und arbeitet in Paris, Frankreich
Seit beinahe vier Jahrzehnten zeichnet Raffi Kaiser erinnerte Natur. Natur, die er selbst durchwandert hat. Wenn er auf seinen Reisen in der Weite der israelischen Wüsten steht, die gewaltigen Gebirge Chinas hinaufsteigt oder in den Abgrund eines Kraters in Japan hinabsieht, fühlt er sich selbst als winzigen Teil der Natur und fragt: „Qu’est-ce que l‘être humain par rapport à l’univers ? » (Was ist der Mensch im Vergleich zum Universum?). In diesem kurzen Satz verleiht er seiner Verehrung für die Natur Ausdruck – nicht ohne auf die Kleinheit des Menschen zu verweisen.
Es ist die stille Leere jener weiten, intensiv erlebten Naturräume, die ihn so geprägt hat, ihn ohne Unterlass monochrome, von Leere durchzogene Urlandschaften zeichnen lässt. Hierbei verlässt er sich ganz auf seine vom Gefühl geleitete und aus der Erinnerung heraus zeichnende Hand. Aus diesem unbewussten, intuitiven Prozess entstehen räumlich unbestimmte Landschaftsgefüge, die auch Umschreibendem wie Sonne, Schatten, Wolken entsagen. Gesetzte von Raum und Zeit sind in Kaisers Landschaftswelt aufgehoben und auch auf die Anwesenheit des Menschen wird gänzlich verzichtet.
Im Verzicht, einer japanischen Ureigenheit, kann die Erkenntnis liegen: er ermöglicht es hier, ausschließlich das innere Gerüst der Natureindrücke zu erfassen. Dadurch entsteht in Kaisers Zeichnungen eine für die westliche Geschichte der Landschaftsmalerei neue Form der Atmosphäre, eine nämlich, die sich von Reduktion und Leere nährt.
So sind Leere und Stille, elementare Charakteristika der alten ostasiatischen Tuschmalerei, auch in Kaisers Erinnerungslandschaften essentielle Bestandteile geworden. Sie verleihen ihnen einen erhabenen, enigmatischen Charakter und lassen sich in der Betrachtung der Zeichnung wiederum gedanklich „befüllen“.
Die „Leerstellen“ in den Landschaften, die sich das betrachtende Auge oft rational nicht erklären kann (Ist es Nebel, ist es ein Gewässer oder doch eine Wolke?), sind auch Spuren seiner eigenen bewundernden Sprachlosigkeit, die er im Angesicht der unbegreiflichen Natur hegt. Religiöse Gefühle sind dem Künstler dabei allerdings fremd, er begreift die Natur nicht als Schöpfung Gottes, sondern schlicht als ein auf sich selbst bezogenes Geheimnis.
Wenn Kaiser also Feder und Tusche zur Hand nimmt, möchte er über die bloße äußere Erscheinung der erlebten Landschaften hinausgehen. Er möchte im Prozess des Zeichnens der am eigenen Leib erfahrenen allumfassenden Einheit der Natur nachspüren und hierdurch ihren innersten Zusammenhängen ein Stück näher kommen.
Das Zeichnen von Natur, seien es große Landschaftsräume oder einzelne herausgegriffene Momente, ist für Raffi Kaiser eine innere Notwendigkeit. Dass er dies schließlich auch als ein meditatives Mittel versteht, durch das man fragende, philosophische Pfade ohne Worte beschreiten kann, rückt den westlichen Künstler ganz in die Nähe der Geisteshaltung des Fernen Ostens und der japanischen Kunst.
Pauline Drichel