Geboren in Osaka, Japan, 1937
Lebt und arbeitet in Paris, Frankreich und Nishinomiya, Japan

Takesada Matsutani war von 1963 bis 1972 Mitglied der Gutai-Gruppe.

Um das Werk Matsutanis richtig deuten zu können, muß man an die Quellen zurückgehen, aus denen sein heutiges wirken schöpft und sein Werk im historischen Kontext sehen. In den fünfziger Jahren stürzt die Gruppe Gutai, von ihrem Gründer Yoshihara geleitet und inspiriert, Japan in eine Revolution der Plastik als Reaktion auf die traditionelle Kultur. „Nicht kopieren, alles erfinden", ist das Leitmotiv ihrer Philosophie, die neue Grenzwerte der Wahrnehmung setzt. Dieser Wandel vollzieht sich im Ausbruch aus Format und Rahmen, im erproben neuer Materialien und Techniken, in Anteilnahme des Körpers und des Publikums bei der Erarbeitung des Werkes in der Improvisation - ohne jedoch das Empfinden der eigenen Kultur zu leugnen. Alle diese Definitionen lassen sich auf das Werk Matsutanis anwenden, der sich 1960 - angezogen von der explosiven Vielfalt neuer Erfahrungen - der Gruppe Gutai anschließt und einen tiefen Bruch mit seiner klassischen Malerei vollzieht. Er schafft seine ,,toiles soufflées".

 

Die heute vorgestellten Arbeiten zeigen die Integrität eines Wirkens, das, obwohl dem Erbe Gutai treu geblieben, es verstanden hat, sich freizuhalten von äußeren Strömungen und Einflüssen und sich nicht von seinem Ursprung zu entfernen.

 

Jeder kennt die Schwierigkeiten der Vorreiter der Kunst, ihren Weg einzuhalten, ohne in den Schlenker der Wiederholung zu verfallen oder in die Versuchung zu kommen, mit der Mode zu gehen, besonders dann, wenn diese diejenigen in den schatten stellt, die ihren Weg um jeden Preis fortsetzen. Hier ist Matsutani Vorbild. Beständigkeit im unterschiedlichen, immer wahre Kreativität - das Werk zu keinem Augenblick in einfacher Wiederholung festgefahren. Es zeigt vielmehr das Bemühen, den vielfältigen Reichtum einer einzigartigen Erfahrung zu enthüllen.

 

Papier und Bleistift gehören zur Mehrzahl der Werke Matsutanis. Die Zeichnung hat strenge Persönlichkeit, tief verankert im Ursprung des Menschen. Zeichnung ist in sich Abstraktion. Das Universum frei von Farben ist unserer alltäglichen Weltsicht fremd. Sie liegt in einer Zone diesseits und jenseits unserer Wirklichkeit, im Unzeitlichen.

 

„Auch ein Weg von Tausend Meilen beginnt mit einem Schritt" (japanisches Sprichwort). Dieser Schritt ist ein Strich, dieser Weg entrollt seine Landschaft auf mehreren Metern Papier. Landschaft aus Stein, erfundene Landschaft; Ausblick, der sich in den Raum begibt, um ihn zu umschreiben, seine Weite zu betonen und einen Dialog herzustellen zwischen vertikaler und horizontaler - Mauer und Boden, Landschaft, wo die Hand unermüdlich das gleiche Zeichen wiederholt, die gleiche Geste, wo der Geist sich von Materie befreit, indem er sie durchdringt.

 

Die Handschrift Matsutanis, unberührt, verbindet Poesie und Metaphysik.

 

,,Streams" - Strömungen, deren Bewegungen erstarrt scheinen, bleifarbene Flüsse mit dem Gewicht ihrer Stille, die wie Musik uns anziehen und verzaubern. Meditation über das wegfließen der Zeit. Dann, brüsk, ergießt sich zu lange zurückgehaltene Energie in Kaskaden, löst sich in heilsame Unordnung. Der Schock des Lichtes - der Fall - Vernichtung. Abruptes und heftiges Ende - tragisch und erhaben, wo der Körper die Szene betritt, der Zufall des Ereignisses nimmt sich sein Recht zu leben.

 

Man geht nicht unbetroffen aus einem Treffen mit dem Werk Matsutanis heraus. Seine Kraft und sein Talent vermögen es, uns mit einem Minimum an Worten zu Wahrheiten zu führen. Ohne es je darzustellen, steht der Mensch im Zentrum seiner Reflexionen, um uns Weisheit und Demut zu lehren. "Eine kurze suche nach Schutz vor einem Unwetter.... glaubt mir, nichts anderes ist das leben." (Sogi).

 

Françoise Bataillon