RAFFI KAISER LANDSCHAFTEN JAPAN ART GALERIE FRIEDRICH MÜLLER
Raffi Kaiser, * 1931 in Jerusalem, gehört zu den großen Landschaftsmalern unserer Zeit. Der seit 1962 in Paris erfolgreiche Vertreter eines Magischen Realismus, stieg Ende der 1970er Jahre aus dem Kunstbetrieb aus und zog sich zwei Jahre in die Wüste Negev zurück. Damals entstanden erste Landschaftszeichnungen, die ein Land voller Stille erspüren lassen. Gleichzeitig setzte er sich mit fernöstlicher Kunst auseinander, zu der er eine Seelenverwandtschaft spürte. 1987 bricht er zu seiner ersten monatelangen Wanderschaft durch China auf, von der er eine große Zahl von gezeichneten Reisetagebüchern mitbringt. In den folgenden zwei Jahren entsteht Die Große Chinesische Landschaft, bei der er auf fünfzig Metern Länge zeichnerisch über seine Reiseeindrücke meditiert. 1991 wanderte Kaiser lange durch die Bergwelt Japans, um in den folgenden Jahren Die Große Japanische Landschaft zu schaffen. 1995 zog er sich wieder in die Wüste Negev zurück, ein einsamer Aufenthalt, aus dem bis 1999 Die Große Wüste Negev entstand. Seither tätigte er weitere Reisen nach Afrika, Kambodscha, zum Grand Canyon, auf den Berg Athos und durch Süditalien, die alle einen zeichnerischen Niederschlag fanden. All diese Eindrücke fasste er 2011 in der 66 Meter langen Zeichnung Le Voyage des voyages zusammen. In den letzten Jahren reiste Kaiser mehrfach durch ganz Frankreich und fertigte in den Pandemiemonaten Die Große Französische Landschaft, wieder im Format von 50 Meter Länge und 150 cm Höhe, als Dank an seine zweite Heimat.
Die Zeichnungen, die Raffi Kaiser jetzt in der Japan Art Galerie Frankfurt zeigt, sind das Ergebnis dieser jüngsten Schaffensphase. Zum einen präsentiert er auf klein- und mittelformatigen Blättern Tintezeichnungen von dramatischen Bergwelten, wie er sie in China und Japan gesehen hat, andererseits Einbrüche und Wadis, wie sie typisch für die Wüstenlandschaften Israel sind. Dezidiert markiert er mit der Stahlfeder markante Felspersönlichkeiten, gestattet sich aber, ganz im Sinne japanischer Bildphilosophie, das Ausgleiten in die Leere eines Nichts. Daneben stehen drei großformatige Arbeiten, die aus mehreren Einzelblättern zusammengefügt sind. Grundgedanke dieser Zeichnungen ist die mögliche Montage als Paravents, wie sie die japanische Kultur als byôbu kennt. Erstmalig verwendet Kaiser, der bislang nur mit den monochromen Materialien Bleistift, Silberstift, grüner, brauner und schwarzer Acryltinte gearbeitet hat, in diesen Zeichnungen neben dem Bleistift auch sehr zurückhaltend Buntstifte. So entstand die Ansicht eines tiefeingeschnittenen Flusstales zwischen zwei schroffen Felshängen. Die Stifte werden dabei so verhalten eingesetzt, dass der Eindruck von Dunst über der Landschaft entsteht. Eine auf vier Blättern drei Meter breite Hügelformation zeigt in drei Schichtungen markant steile Bergspitzen, wie sie Kaiser am chinesischen Fluss Li gesehen hat. Hauptwerk der Frankfurter Ausstellung bildet eine große Felslandschaft, wohl der französischen Alpen, in die drei Seen einschneiden. Hier erfährt die Zeichnung eine relativ beherzte Kolorierung, wenn die Zinnen vom Abendrot beschienen werden und die steilen Seeufer blau abfallen.
Raffi Kaisers Landschaftszeichnungen sind, abgesehen von den Reisetagebüchern, keineswegs real, sondern immer Meditationen über Landschaften. Wie unterbewusst lässt er sein Malwerkzeug tänzerisch über die Fläche des schweren Büttenpapiers der Traditionsmarke Arche gleiten. Nach eigenem Bekunden, weiß er beim Beginnen auf einem linken Blatt keineswegs, wann und wie die Landschaft rechts enden wird. Was er in Verehrung von Mitwelt und Natur in sich aufgenommen hat, zeichnet sich gleichsam konzentriert aus ihm heraus. So ist Raffi Kaiser ein Künstler, der sich gut in eine Zeit fügt, die endlich erkennt, dass die Natur zu schützen, dem Menschen aber überlegen ist. Menschen kommen in seinen Zeichnungen übrigens nie vor, Spuren menschlicher Besiedlung sind höchst selten. Er selbst sieht seine Landschaften als Einladung an die Betrachterinnen und Betrachter, still über die Natur nachzusinnen.
Ulrich Schneider