Yuko Sakurai: Holz - Papier - Indigo
Yuko Sakurai
Obwohl Farben, Farbkontraste und Farbauftrag immer eine wichtige Rolle für ihre Arbeit spielen, versteht Yuko Sakurai ihre Werke keineswegs als Malerei im klassischen Sinn. Ihrer Auffassung nach handelt es sich dabei vielmehr um dreidimensionale, plastisch gestaltete Objekte, was bedeutet, dass Materialität, Haptik und Präsenz im Raum ebenfalls von entscheidender Bedeutung für deren Gesamtwirkung sind. Großen Einfluss auf die Gestaltung ihrer Werke hat für Sakurai stets die intensive Beschäftigung mit Naturmaterialien und mit traditionellen handwerklichen Techniken.
In Sakurais nunmehr fünfter Einzelausstellung in der Galerie Friedrich Müller sind drei unterschiedliche Werkgruppen vertreten. Zum einen werden neue Exemplare ihrer schon seit einigen Jahren entstehenden Reihe von Arbeiten mit Ölfarbe und Pastellkreide auf handgeschöpftem Yokono-Papier ausgestellt. Aus der ungewöhnlichen Verbindung von pastos aufgetragener Farbe auf hauchdünnem Papier entstehen äußerst sensibel gestaltete Gebilde, die den Prozess der sorgsamen Farbschichtung nachvollziehbar machen. Mit zunehmender Erfahrung, die sie mit dieser von ihr entwickelten Technik gesammelt hat, sind Sakurais Arbeiten auf Yokono-Papier im Laufe der Jahre immer feiner, detaillierter und in den Farbabstufungen subtiler geworden.
In einer zweiten Werkgruppe mit Ölfarbe verwendet sie als Trägermaterial Holzplatten, die sie in einer schon seit Jahrzehnten verlassenen Schreinerwerkstatt in ihrer Heimat Tsuyama entdeckt hat. Dieses historische Holz ist für sie wie ein Zeitspeicher, der an die Vergangenheit der holzverarbeitenden Industrie in dieser Region erinnert. Die großenteils unregelmäßig geformten, von der Rechteckform abweichenden Holzplatten fasst sie als wertvolle Relikte auf, deren Individualität sie mit ihrer einfühlsamen Bemalung betont und würdigt.
Ganz neue Wege beschreitet Yuko Sakurai mit ihrer dritten Werkgruppe, bei der sie mit japanischem Indigo gefärbte textile Materialien verwendet. Von einer Bekannten, die sich der alten Tradition der Herstellung dieses Naturfarbstoffs verschrieben hat, erlernte sie den langwierigen Prozess der Gewinnung von Indigo aus der Fermentation von Knöterichgewächsen. In die gefärbten Leinenobjekte hat sie horizontal gerichtete, wellenartig verlaufende, unterschiedlich dicke Fäden aus Leinen, Seide und Baumwolle eingeflochten und -genäht, was ihnen eine vielschichtige Materialität verleiht. Der Titel „Sea of the Earth“ verweist auf das Erstaunen der Künstlerin darüber, dass ein Pigment aus Pflanzen, die der Erde entwachsen sind, zu einer intensiv blauen Flüssigkeit wird, die unweigerlich Erinnerungen an das Meer wachruft.
Peter Lodermeyer