Vom Raum zur Form
Leicht und fest zugleich
Manchmal scheint es heute so, als sei der Horizont in jede Richtungen offen, offen und unbegrenzt. Alles rückt in den Bereich des Möglichen, alles nimmt sich gleich wichtig und will gleich gültig sein. Jedwede Begrenzung wird in Frage gestellt und selbst die letzte absolute Linie, die Endlichkeit des Seins steht mittlerweile zur Disposition. So gerät man leicht ins Trudeln und sucht Halt.
Es stimmt mehr denn je, der Mensch ist und bleibt ‚das nicht festgestellte Tier‘ (Nietzsche). „Er hat keinen festen Ort in der Natur, in der Welt, er ist nicht in ihr verankert und beheimatet, sondern unablässig gezwungen, seinen Ort, seine Welt erst zu schaffen, zu entwerfen, zu verwerfen und wieder neu zu schaffen, ohne je zur Ruhe zu kommen, weil es für ihn die Welt gar nicht gibt.“[1]
Genau das beherzigt Jürgen Schön, indem er sich wieder und wieder des Raumes versichert, in dem er lebt. Zeichnend versichert, halb bewusst, halb unbewusst. Skizzenartig, in Heften und Büchern, geht er auf das ein, was er erlebt und zu fassen gedenkt. Besonders auf Reisen, wenn Körper und Geist in Bewegung sind und Halt suchen, sind ihm seine Notationen Mittel der Selbstvergewisserung. Später dann, im Atelier, wählt er aus, was ihm davon gelungen und bedenkenswert erscheint und überträgt das Skizzierte auf größere Formate. So entstehen seit vielen Jahren Bilder und Objekte, die durch ihre Leichtigkeit beeindrucken und von der allgemeinen Halt- und Orientierungslosigkeit wohltuend ablenken. Im Gegensatz zur Architektur, die Raum festlegt und verhärtet, bleiben seine Zeichnungen offen und beweglich. Und manchmal ist man deshalb tatsächlich nicht mehr sicher, ob sich seit der letzten Betrachtung nicht eine Form in ihnen selbständig gedreht oder verschoben hat. Aber genauso soll es ja sein. Leicht und fest zugleich.
Andreas Bee
[1] Hannes Böhringer, Auf der Suche nach der Einfachheit, Berlin 2000, S. 37
Jürgen Schön: Vom Raum zur Form
Vergangene exhibition
21 Oktober - 18 November 2023