Shozo Michikawa: Sculptural Forms

19 Oktober - 16 November 2024

Die Galerie JAPAN ART in Frankfurt zeigt neue Keramikarbeiten von Shozo Michikawa (*1953), der seit 2014 zum festen Repertoire der Galerie zählt. Der Künstler, bekannt für seine spiralförmig aufgebrochenen skulpturalen Arbeiten, ist mit zahlreichen internationalen Preisen geehrt und weltweit in Museen vertreten.

Seine große Inspiration ist die Natur. Darin steht er ganz in der japanischen Tradition, seine Vorgehensweise aber hat keine Vorbilder. Michikawa entwickelte eine ganz eigene Technik für den Entstehungsprozess, die zu seinem Markenzeichen wurde. Dabei nutzt er die zentrifugalen Kräfte der Drehscheibe. Die äußere Gestalt der Objekte entsteht nicht durch seine formende Hand, sondern allein durch Druck vom inneren Hohlraum aus. Dazu versieht er die Außenwand mit Einschnitten, die beim Drehen aufspringen. Durch Druck auf die Wandung manipuliert er von innen, wie stark sich die Einschnitte herauswölben und aufklaffen. Dieses Vorgehen nimmt oft wilde und gefährliche Züge an. Dass die Form beim Drehen nicht zusammenbricht, gleicht einem Wunder und zeigt Michikawas große Erfahrung im Umgang mit dem Material.
   

In der neuen Ausstellung verweisen auch die Titel zweier Objektgruppen auf die Natur: „Natural ash stratum“ und „Vulkan Usu“. In den „Stratum“-Arbeiten greift der Künstler das geologische Prinzip schichtweiser Gesteinsablagerungen auf und legt farblich kontrastierende Tonlagen (oft in Schwarz und Weiß) übereinander, die allerdings durch Michikawas Arbeitsweise aus ihrer horizontalen Lage in einen chaotischen Zustand geraten.

Der Hinweis auf den Vulkan Usu hat einen biographischen Bezug. Michikawa wuchs auf der nördlichen Insel Hokkaido am Fuße des Vulkans Usu auf und erlebte als Jugendlicher einen Vulkanausbruch, der einen bleibenden Eindruck auf ihn hinterließ. Diese Objektgruppe wurde für drei Tage in einem mit Holz gefeuerten Einkammerofen (anagama) gebrannt und fällt schwarz aus mit stumpfen, zum Teil verkohlt wirkenden Oberflächen, mit Verkrustungen und glänzenden Partien durch aufgeschmolzene Glasur. 

Eine dritte Objektgruppe der Ausstellung bilden die weißen „kohiki“- Arbeiten. Hier greift Michikawa auf eine alte koreanische Technik zurück, bei der die Keramik in weißen Schlicker (Engobe) getaucht und farblos glasiert wird.

Michikawas skulpturale Arbeiten sind offene, lebendige Gebilde von bewegter Gestalt. Sie laden zu einem Gespräch ein mit ihren Spuren von Verwundung, überstandenem Kampf und vitaler Kraft. Einigen haftet etwas Gestisches und Zeichenhaftes an. Sie lassen an die Natur, an Fels und Verwitterung denken, tragen aber in ihrer Deformation zugleich dekonstruktivistische Züge.  

 
Nora von Achenbach