Jürgen Schön
Die meisten Arbeiten von Jürgen Schön (*1956) haben einen Hang zur Stille. In ihrer formalen Reduktion wirken sie wie eine Art Gegengift zum Geschrei der Welt. Die wohltuend klar gegliederten und konzentriert gestalteten Räume der Galerie Friedrich Müller (Japan Art) bieten den idealen Rahmen für die neuen Zeichnungen und Objekte des in Dresden lebenden Künstlers. Ohne einen solchen Ort ist eine sinnstiftende Begegnung mit dieser Kunst kaum möglich, ohne eine angemessene Inszenierung hätten die feinen und leisen Töne der Arbeiten kaum eine Chance, wahrgenommen zu werden.
Es heißt, die neuen Skulpturen und Zeichnungen seien nach einer Reise durch Birma entstanden. Aber auch ohne diesen Hinweis, allein schon durch Art der Präsentation und nicht zuletzt durch die Nähe zum benachbarten, zweiten Raum der Galerie, in dem traditionelle japanische Kunst zu sehen ist, erinnern die Skulpturen und Zeichnungen ganz direkt an den Minimalismus asiatischer Kunstwerke und in ihrer pyramidalen Form vielleicht sogar an einen sitzenden, meditierenden Buddha auf seinem Lotosthron. Wie bei diesen häufig leicht unsymmetrisch gestalteten Manifestationen der Ruhe und Konzentration vermittelt sich auch durch die sich nach oben hin verjüngenden, aus zwei bis fünf Trommelscheiben getürmte Gebilde ein einfaches, aber grundlegendes Gefühl des Vertrautseins mit der Welt, wird eine basale Erfahrung aufgerufen, die jedem Betrachter zugänglich ist.
Die Skulpturen von Jürgen Schön, ob aus Karton und Papier oder aus solider Bronze, sind in zwei Welten angesiedelt. Sie gehören durch ihre unterschiedliche Beschaffenheit ganz direkt, aber auch metaphorisch einer leichten und einer schweren, einer fragilen und einer robusten Wirklichkeit an, sie changieren formal zwischen einer historischen und einer zeitgenössischen, letztlich zwischen einer kulturell vertrauten und einer exotischen Sphäre, sie sind sowohl Vorbild als auch Abbild und werden im „Schrein“ der Galerie zum Objekt der inneren Sammlung, der andächtigen Aufmerksamkeit und Anteilnahme.
Mir scheint, als bediene sich Jürgen Schön der Dinge mit Respekt, weil diese Dinge uns eine Zeit gedient haben und allein deshalb schon mit Achtung zu betrachten sind. Nach ihrer ehemaligen Funktion oder symbolischen Bedeutung zu fragen, führt nicht weit. Vielleicht tut der Betrachter deshalb gut daran, solch ein Fragen erst gar nicht zu verfolgen. „Reflexion ist nicht verlangt; sie wäre in einer Welt, wo alles Reflex ist (und nichts), verlorene Mühe - und überflüssig, wie das Einschenken von Tee in eine bereits volle Tasse.“ ¹
Andreas Bee
¹ Adolf Muschg, Wegbeschreibung, minimal, in: Japan und der Westen, Kunstmuseum Wolfsburg, 2007, S. 217